Gehorcht mir, Finger
Da sitze ich, auf einer Holzpalette und ziehe an meiner Zigarette, während ich durch eine kleine Öffnung in den Himmel starre. Eigentlich müsste ich arbeiten, aber dann und wann gönnt man sich eine kleine fünf minütige Pause.
Während eines jeden Zuges geht mir „Lungenkrebs“ durch den Kopf. >Muss schrecklich sein< denke ich mir. Ich starre noch etwas, bevor ich mich auf mache, zurück zur Arbeit.
Tische säubern, Boden reinigen und Tablettes von Müll befreien. Herrlich diese Arbeit.
Innerlich rege ich mich darüber auf, dass die Leute wieder einmal ihre Tablettes stehen lassen und frage mich, ob sie es zu Hause auch so tun.
Ich stelle es mir bildlich vor. Der Mann kommt nach Hause, die Familie isst etwas, und die Teller bleiben stehen, bis jemand daher kommt und sie wegräumt. Das Chaos gleicht dem, von Bobby aus „die Frauen von Stepford“.
Die Frauen von Stepford. Robotergleiche Wesen in weiblicher Gestalt.
>Wer bin ich? Und was bin ich? < frage ich mich, wenn ich an diesen Film denke. Nicole Kidman sieht mit blonden Haaren besser aus, fällt mir dazu ein.
Verdrängung ist angesagt. Ich lege alle Gedanken bei Seite und hoffe auf einen ruhigen Abend, mit meinem neuen Patrick-Strohhalm, aus dem neuen Happy Meal.
Ich schalte den PC ein und während er hochfährt, esse ich meinen Fruit & Joghurt.
„DÜÜT“ – ICQ ist online.
Ein Fenster blinkt. Es hat mich anscheinend jemand angeschrieben und ich frage mich, wer?
Ich öffne das Fenster und es ist mein bester Freund, der sich seit Monaten nicht gemeldet hat. Kann man das eigentlich noch beste Freundschaft nennen? – Ich verdränge den Gedanken schnell, ihm das vorzuwerfen.
Er schreibt: „na? Wie schaut‘s?“ Ich antworte ihm, nach einem doch etwas zerrenden Tag, mit „Gut“.
Er eilt mit seinen Fragen und nicht mal zwei Fragen später und zwei Antworten meinerseits die aus „gut“ bestanden, fragt er mich „was hat sie dir getan?“. Mein Körper will sich wehren, mein Geist will etwas von sich geben, was alles andere als nett ist, doch ich unterlasse es. Stattdessen setze ich ein paar Punkte. „…“. Er hetzt weiter, doch ich will ihm nicht antworten. Meine Finger wollen etwas anderes. „und tschüss“. >toll fängt der ruhige Abend an< denke ich mir seufzend.
Ihm passen meine Antworten nicht. Nach Monaten des >Nichtmeldens< schreibt er mir zum Schluss „ist mir auch zu blöd, vergiss unsere Freundschaft“. Ich bin verwirrt. Stammen diese Worte, die gerade in einem virtuellen Messenger erschienen sind, von meinem besten Freund? Mit dem ich gerne über andere gelästert habe? Mit dem ich gerne Cola zero trank und dabei Mario Party gespielt habe? Und mit dem ich jedes Mal über etwas bewegendes streiten muss, wie z.B. Was es zum Mittagessen geben soll? Ich möchte ihn anwinseln zu Sinnen zu kommen. Zu erkennen, wer er doch wirklich ist. Aber meine Finger schreiben „Ok. Dann sind wir halt geschiedene Leute“. Die Lage ist klar, und er haut mir noch einen letzten Satz entgegen „Ich verstehe nicht, wieso du dich so verändert hast“. Warum schreiben meine Finger eigentlich Dinge, die ich gar nicht schreiben möchte? Taten es seine Finger vielleicht auch?